Donnerstag, 2. August 2012

Besuch in sozialen Einrichtungen

Für den heutigen Tag stand eine Verabredung mit einer Frau an, die mir auf meinen Wunsch hin soziale Projekte in Arequipa zeigen wollte. Hergestellt haben den Kontakt die Mitarbeiter von Viventura Peru, die eng mit Viventura Chile zusammenarbeiten und Viventura Chile mit viSozial, dem Träger meiner Einsatzstelle während des Praktikums.

Als Uhrzeit war 9 Uhr im Büro ausgemacht, weshalb ich mich morgens abhetzte und extra ein Taxi nahm, um pünktlich zu sein. Pünktlichkeit - ich frage mich immer wieder, warum ich es hier auch nur versuche, einigermaßen "en punto" zu erscheinen. Schließlich existiert der Begriff hier in Südamerika kaum. So kam es, dass ich um 10 nach 9, also zehn Minuten zu spät (!) ankam. Glücklicherweise war meine Begleiterin Lilly noch nicht da, weshalb ich noch ein wenig Zeit hatte meine Reisepläne durchzugehen. 

Schließlich, um Punkt 9 Uhr und vierzig Minuten war die sympathische, kleine Frau mit dem strahlenden Lächeln da. Gemeinsam zogen wir los, um zunächst ein Taxi ins Zentrum zu nehmen, wo wir drei fünfzehnjährige Mädchen "aufgabelten", die freiwillig im Projekt helfen wollen und stiegen dort dann in einen der kleinen Busse ein. Ehe wir einen Platz gefunden hatten, was bei ca. 20 Sitzplätzen nicht einfach ist, trat der Busfahrer kräftig ins Pedal und los ging die Fahrt, die mich so einige Nerven kostete. Die Fahrweise lässt sich in etwa mit dem wilden Busfahrer in einem der Harry Potter Filme vergleichen - wild, rücksichtslos und immer für Überraschungen zu haben wie beispielsweise spontante Bremsmanöver oder eine dritte Spur auf dem Mittelstreifen "aufzumachen".

Nach und nach entfernten wir uns aus dem Zentrum und aus dem gepflegten Stadtkern. Die Straßen wurden allgemein ungepflegter und die Menschen am Straßenrand ärmlicher.Die Häuser wurden kleiner und einfacher. So ging es einige Zeit weiter, bis plötzlich die geteerten Straßen aufhörten. Wir befuhren Schotter und irgendwann einen sandartigen Belag. 
Während die Häuser einige Straßen zuvor nur "einfach" waren, waren sie mittlerweile einfach nur noch winzig und einigermaßen so zusammengestellt, dass sie ihren Zweck erfüllen. Der Zweck, den Häuser in Deutschland erfüllen, ist meines Erachtens keinesfalls der selbe wie in diesem Stadtteil, "Villas Cerrillos". Hier dienen die Häuser vermutlich dazu, abzugrenzen wer an welchem Ort wohnt - nicht dazu, ein kuscheliges Heim darzustellen. Um die Häuser noch etwas näher zu beschreiben: oftmals normale, runde große Steine werden zu löchrigen Mauern aufgestapelt und wenn sich Wellblech finden lässt, wird dieses auch noch draufgelegt - sonst werden Tücher über die Mauern gespannt, die im Sommer die Hitze abhalten sollen. 

Straße in Villas Cerrillos

Und in diesem Gebiet befindet sich eine winzige Kindertagesstätte für Kinder zwischen 1 und 3 Jahren. Sehr früh am Morgen treffen die Kinder ein und sehr spät werden sie abgeholt. Die Eltern oder meist die alleinstehende Mutter ist sehr jung und hat keine Arbeit oder nur sehr unregelmäßig. Die Kinder aber kommen jeden Tag, um dieser Unregelmäßigkeit nicht ausgsetzt zu sein. In der Kindertagesstätte erleben die Kinder einen geregelten Tagesablauf und liebevolle Zuwendung. All dies kann ihnen daheim nicht gegeben werden. Ich fand es total erstaunlich, dass die Erzieherinnen es in diesem Umfeld doch schaffen, den Kleinsten Werte mit auf den Weg zu geben, die sie daheim nicht erfahren und ein kindgerechtes Umfeld bieten können, denn in diesem Stadtviertel gibt es wirklich nichts. Keinerlei Infrastruktur - Straßen, Licht, fließend Wasser, Strom oder gar Internet wird man dort nicht finden. Spielplätze gibt es sowieso nicht. Und eine Finanzierung von Seite des Staates gibt es auch nicht. Umso wichtiger ist es, dass es freiwillige Helfer gibt, die mit Taten und Sachspenden unter die Arme greifen können.

Zum Abschluss stimmten die Kinder dem Vorschlag eines Gruppenfotos begeistert zu!

Gruppenfoto mit den Kindern

Nachdem meine Begleitung und ich uns verabschiedet hatten, liefen wir wieder durch den staubigen Sandboden und stiegen in den Bus, der uns in ein anderes Armenviertel bringen sollte.

Ähnlich wild wie die bisherigen Fahrten verlief auch die in das andere Armenviertel, das direkt am Rand des Vulkans "Misti" liegt und sich über verschiedenste Hügel erstreckt. Für mich sah das vom Weiten aus wie eine Ruinenstadt, weil die meisten Häuser dort aus losen Ziegeln bestehen und auch nicht fertiggestellt sind. Der einzige Unterschied, der sich im ersten Moment auftat, war die Größe der Häuser: sie waren etwas größer, aber deswegen nicht besser ausgestattet. Fließend Wasser gibt es auf den Hügeln nur bis zu einer bestimmten Grenze, weiter oben gibt es nichts dergleichen. Dafür gibt es riesige Lastwagen, die sich die engen, nicht asphaltierten Straßen hochschlängeln und die Häuser mit Wasser beliefern. Allerdings nur, solange es keine Regenzeit gibt. Dann nämlich ist der Boden zu schlammig, um die steilen Wege hochzufahren. Entweder müssen die Familien dann selbst das benötigte Wasser hochschleppen oder sich in dieser Zeit irgendwie anders behelfen, z.B. mit Regenwasser. 

Vulkan "Misti"
Nachdem ich diese ersten Eindrücke wahrgenommen hatte und Lilly mir mehr über diese Region erzählte, erreichten wir schon die nächste Kindertagesstätte. Grundsätzlich ist diese vom Aufbau her genauso, wobei ich hier nochmal gesehen habe, was es heißt, kein fließend Wasser zu haben. So muss man beispielsweise vor dem Toilettengang einen riesigen Eimer mit Wasser füllen, um damit dann zu spülen. Die Hände werden mitteils Wasser aus Kanistern gewaschen, aus denen ein Zapfhahn herausragt. 
 Der kleine Spielplatz vor dem Haus ist für deutsche Verhältnisse gefährlich - zwar einzäunt, aber die Geräte verrostet und irgendwelche nicht kindgerechten Baugeräte stehen dort auch. 

Von dieser Einrichtung aus sind wir noch ein gutes Stück zu Fuß gegangen, um uns eine letzte anzuschauen. Auf dem Weg dort hin liefen wir weiterhin durch sandigen Untergrund und durch den leichten Wind hing der Sand schließlich überall - sogar auf den Zähnen spürte ich dieses komische Gefühl. Aber ich war ja quasi nur zu Besuch - den dort lebenden Menschen geht es ja immer so! 
Zu dieser letzten Einrichtung für Kinder ist nicht mehr viel zu sagen, da sie  einfach nochmal die Arbeit der ersten beiden unterstrichen hat. 


Danach sind wir mit dem Bus zurück ins Zentrum gefahren. Dort gibt es ein "asilo", eine Art Notunterkunft, für alte Menschen, die sonst niemanden haben. Quasi wie ein Altenheim, nur mit dem Unterschied, dass dieses von niemandem bezahlt wird. Es finanziert sich ausschließlich über freiwillige Hilfe. 


Rechts und links die Apartments
 Dieses Altenheim ist natürlich kein Vergleich zu Deutschland. Die alten Menschen leben dort in kleinen Abteilen zu zweit oder zu dritt, die durch eine halbe Wand getrennt werden. Jedes Apartment hat einen Hinterausgang, in dem sich ein Waschbecken und eine Toilette befinden. Hilfsmittel zur Pflege oder Vereinfachung des Alltags gibt es nicht. Undenkbar, dass es dort höhenverstellbare Betten gibt oder behindertengerechte Toiletten etc. 

Blick in ein Schlafzimmer
Insgesamt 10 freiwillige Helfer kümmern sich tagsüber um die momentan 36 weiblichen Bewohnerinnen und helfen bei der Körperpflege, Medikamenteneinnahme und Essenseingabe. 

Trotz der Unterschiede zu Deutschland leisten die Leute dort eine gute Arbeit, man hat das Gefühl dass die Menschen sich wohlfühlen und der Umgang mit ihnen ist soweit ich das beurteilen kann sehr herzlich.

Ich bin gespannt, welche Begegnungen ich noch mit der Armut machen werde...

Ein Blog

Wenn man anfängt, einen eigenen Blog zu schreiben, ist das immer so eine Sache. Man stellt sich diese Fragen: "Wer wird meine Texte lesen? Wird sie überhaupt jemand lesen? Und falls ja: wie kommen sie bei dem virtuellen Gegenüber an? Werde ich Kommentare bekommen? Wie viele davon sind erfreulich?"
Mit Sicherheit gibt es noch zahlreiche weitere Erwartungen und Befürchtungen bezüglich der Thematik "Blog". Trotzdem möchte ich versuchen, hier meine Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse während meines Aufenthalts in Südamerika niederzuschreiben um einerseits meinen daheimgebliebenen Verwandten und Freunden darüber zu informieren, was hier drüben passiert und anderseits noch unentschlossenen Südamerika-Interessierten zu ihrer Entscheidung zu verhelfen.
Somit wünsche ich nun viel Spaß beim Lesen! :)